Venedig – die sinkende Stadt
Venedig ist schon seit seiner Gründung im 5./6. nachchristlichen Jahrhundert durch das umliegende Wasser bedroht. In den vergangenen siebzig Jahren hat sich die Lage rapide verschlechtert. Früher sank Venedig durchschnittlich zwei Millimeter pro Jahr, heute sind es drei bis fünf Millimeter, in Alt-Venedig sogar bis zu sechs Millimeter
Ursachen des Absinkens
Die Gründe für das Absinken Venedigs sind vielfältig. Der allgemeine Meeresspiegelanstieg unter anderem durch das Schmelzen des Polareises (Treibhauseffekt, natürliche Ursachen) sowie durch Verkleinerung der Weltmeerbecken durch Kontinentalverschiebungen verursacht allein ein Sinken Venedigs im Vergleich zu Normalnull um ein bis zwei Millimeter pro Jahr. Auf diese Weise ist die Inselstadt seit der Zeitwende um zwei Meter abgesunken, davon allein 23 Zentimeter im zwanzigsten Jahrhundert
Die Situation verschlechtert sich auch noch durch eine wirkliche Absenkung des Untergrundes der Stadt. Ein Millimeter pro Jahr geht so an Höhe zusätzlich verloren. Dies hat seine Ursachen einerseits in natürlichen Sedimentabsackungen, andererseits größeren Einfluß durch vom Mensch verursachte Sackungserscheinungen. Seit 1930 wird vermehrt Grundwasser aus dem Boden abgepumpt, Hohlräume bleiben zurück, die aufgefüllt werden müssen. In der südlichen Lagune verschlechterte sich die Lage unter anderem durch die Entnahme von Methan aus dem Boden. Auch der Abbau anderer Ressourcen könnte gefährlich sein: im nahen Podelta sackte das Land nach dem Abbau von Erdgas um einige Zentimeter ab. Keinen Schaden richtet das Gewicht der Bauwerke an: die unbebauten Inseln tauchen genauso wie Venedig ab.
Auf dem Weg zur Heilung des »Patienten« Venedig?
Es wurden viele Forderungen zum Stop des Absinkens gestellt, einige der Maßnahmen wurden auch schon umgesetzt. So wurden als erstes die Brunnen geschlossen, Fernwasserleitungen vom Land wurden nach Venedig gelegt, allerdings noch verbesserungsbedürftig. Erdgasfelder, die eventuell unter Venedig vorhanden sind, dürfen nicht abgepumpt werden.
Aber auch Ideen zur Anhebung der Inseln kamen auf: Eine kleinere Insel wuchs durch das Einpumpen von Wasser in tiefere Sedimentschichten binnen anderthalb Monaten um zehn Zentimeter. Es ist allerdings nicht klar, ob dieses Experiment auf Gesamtvenedig angewandt werden kann. Allerdings könnten Injektionen von Beton oder einer sich verfestigenden Silikatlösung den Boden von Venedig festigen.
Hochwasser
Ein weiteres Wasserproblem sind die jährlich bis zu zehn Mal, vor allem im Zeitraum September bis März stattfindenden Überschwemmungen. Während im Zeitraum von 1931 bis 1945 Venedig leidiglich acht Hochwasser (acqua alta) durchzustehen hatte, wurde die Stadt in den fünfzehn Jahren von 1971 bis 1985 von knapp fünfzig Überschwemmungen heimgesucht. Das schlimmste Ereignis war bisher die Hochwasserkatastrophe vom 4. November 1966: das Wasser erreichte einen Höchststand von 1,97 Meter über dem Meeresspiegel, der Stadtteil San Marco stand 1,20 Meter unter Wasser.
Gründe für die Überschwemmungen sind in der Veränderung der Lagune um Venedig zu suchen. Durch Verkleinerung der Wasserfläche (Eindeichung, Anlegen von Industrieflächen) hat das Wasser weniger Platz bekommen, kommt aber gleichzeitig durch den Ausbau der Schiffahrtskanäle in größeren Mengen in die Lagune hinein.
Rettung versprechen sich die Venzianer durch neue Schleusentore an den drei Laguneneingängen zur Adria, die bei Uochwasser automatisch hochgeklappt werden und so das Meerwasser vom Eindringen in die Lagune hindern. Die Kosten dieses Projekts belaufen sich auf ca. 45 Milliarden Mark.
Experten fordern weiterhin einen Abbau der Deiche der Fischerseen, Abriß der schon eingedeichten Polder für die geplante, aber herausgezögerte dritte Industriezone von Porto Maghera und einen Stop beim Bau von künstlichen Inseln wie Venedigs Parkplatz im Westen der Stadt. Auch die veralteten Küstenschutzeinrichtungen am Lido sollten erneuert werden.
Venedig – die stinkende Stadt
Zum Schluß noch dieses kleine Wortspiel: Venedig droht nicht nur im Wasser zu versinken, sondern auch im Müll. Straßen, auf denen größere Mülihaufen liegen, sind keine Seltenheit. Das größte Problem ist allerdings, daß die Lagune von Venedig als Abwasserbecken der umliegenden Region sowie Venedigs selbst dient. Kläranlagen scheint es dort nicht zu geben ...
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